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European Association
of American Square Dancing Clubs e.V.

 
Friendship is Square Dancing's greatest reward
      
 

 
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“Kinder brauchen Bewegung – Der Sport braucht Kinder!

Englisch lernen mit Square Dance in der Grundschule”

Birgit Smieja

0. Einleitung

Tanzen verbindet – am meisten in Gruppentänzen, bei denen der Spaß und nicht der Wettbewerb im Vordergrund stehen. Und beim Square Dance tanzen wir sogar zu den Kommandos einer Fremdsprache! Das geht auch schon mit Kindern!

In vielen Bundesländern wird eine Fremdsprache (meistens Englisch) bereits ab Klasse 1 der Grundschule unterrichtet. Hierbei gilt, dass die Sprache authentisch und situationsbezogen und daher möglichst thematisch fächerübergreifend und handlungsorientiert eingebunden sein soll. Der Square Dance kann all das. Denn er verbindet die Fremdsprache mit Musik und Bewegung in der Gruppe und mit einer Vielfalt an kulturellen und landeskundlichen Themen rund um Europa und Amerika.

Das Besondere (und Wichtige für die Grundschule) am Square Dance ist die Tatsache, dass es ihn nur in englischer Sprache gibt. Das motiviert Kinder ganz besonders. Er kann daher ein Teil der Erlebnispädagogik, des handlungsorientierten Unterrichts im Fremdsprachenlernprozess, sein. Außerdem legen Grundschulen vermehrt Wert darauf, dass Kinder sich mehr bewegen (Stichwort “Bewegte Grundschule”).

Dies vorausgesetzt begannen wir 2008 mit einem kleinen Versuchsprojekt an der Uni Landau. Wir, das sind: Andreas Hennecke, der Club-Caller der Swinging Landavians, und ich, Dozentin im Fachbereich Anglistik der Uni Koblenz-Landau in Landau. Die Idee von 2008 hat sich folgendermaßen weiter entwickelt: (FOLIE 2 – Statistik, neuer Stand Februar 2014 in rot)

  • 95 (140) Studierende in kleinen Kursen (bei 12-24 Teilnehmern pro Seminar) am Campus Landau und 30 Studierende am Campus Koblenz; ca. 30 Studierende (PH Karlsruhe)

  • 12 (60) Lehrkräfte in der Lehrerfortbildung brachten

  • ca. 800–1.000 (1.500 – 2.000) Kinder in ca. 20 (40) Projekten     und AGs (Vorschule: 4- bis 6-Jährige; Grundschule: 1.-4. Klasse; Förderschule; Hauptschule und IGS/Realschule: 5./6. Klasse zum Tanzen.

    Die AGs können wir nicht mehr zählen, weil wir nicht wissen, wo unsere Studierenden mittlerweile überall wirken und arbeiten – wir hören immer wieder von neuen...

  • 16 (26) Staatsexamens- und Masterarbeiten beschreiben den Erfolg des Fremdsprachenerwerbs - neben anderen Lernzielen – durch Square Dance.

  • Jede SQD-Party (= Open House) an den Unis in Landau (ab 2008 bis jetzt zweimal jährlich), Koblenz (2010) und Karlsruhe (ab 2012/13 zweimal jährlich) brachte jeweils 80 – 120 Studierende, Kollegen und Interessierte der jeweiligen Städte zum Tanzen und zum Einstieg in Seminare und Workshops.

Aber wie kamen wir eigentlich auf diese Idee?

Im Juni 2008 beschloss ich während meiner eigenen Class, das Gelernte für die Grundschule aufzuarbeiten. Andreas, unser Caller, machte sofort mit! In einem Test-Workshop wurden Studierende in 4 Stunden mit Hintergrundinformationen zum Tanz, zur Geschichte und zur amerikanischen Landeskunde gefüttert, um danach bei einem “Open Dance” im Landauer Club, den “Swinging Landavians”, die Behauptung, Square Dance sei besonders für die Grundschule geeignet, selbst zu überprüfen. Die Begeisterung schlug sofort Wellen und alle 19 Versuchskaninchen baten uns innerhalb von 24 Stunden um ein “richtiges” Seminar im Rahmen ihrer Hochschulausbildung.

Seit dem WS 2008/2009 fanden an der Landauer Uni dann regelmäßig Blockseminare zum „Square Dance in der Grundschule: Englisch lernen und lehren leicht gemacht“ statt und wurde kontinuierlich weiter entwickelt. Die Ausbildung umfasst für Studierende 4 x 6 Seminarstunden plus einem Praxis-Wochenende, bestehend aus einem Einführungsabend (Open House) und zwei Tagen, in denen Callen und Tänze Unterrichten im Mittelpunkt stehen. Insgesamt sind das 43 Stunden. Dies ist mehr als jedes andere Uni-Seminar! Und trotzdem ist es so, dass sich Studierende schon im Januar für ein Seminar im Oktober anmelden und auf eine geheime Liste gesetzt werden wollen (die es nicht gibt), um in jedem Fall dazu zu gehören. Ich habe dreimal so viele Anmeldungen wie Teilnehmer, die in den Kurs können. Es mangelt daher auch nicht an Bestechungsversuchen, um zum Ziel zu kommen...

Wir starten mit einer theoretischen Einführung zum Square Dance, zeigen die Vernetzung zur und mit der Fachdidaktik und basteln das eigene Badge und ein Bolotie als Tanzausstattung. Das machen kleine und große Kinder gern! (FOLIE 3)

Dem Praxis-Wochenende der Schul-Caller-Ausbildung gehen eine musikalische Einführung und viele Übungen zu Rhythmus und Takt voraus, da die meisten Studierenden im Unterrichten dieses Bereiches wenig Erfahrung haben. (FOLIE 4)

Der theoretisch-musikalischen Einführung folgt dann das praktische Open House, bei dem Studierende die Square Dance Kleidung ausprobieren dürfen und mit den Angels der Landauer “Swinging Landavians” tanzen, die ein enormes Engagement in der Ausbildung und der Einbindung der Studierenden zeigen. Sie lernen mindestens 12 Tanzfiguren bereits an diesem Abend.

So sah das Audimax aus: (FOLIE 5)

Im Wochenend-Workshop lernen die Studierenden callen (= 16 Stunden); sie üben dies während der gesamten folgenden Blocks des Seminar (= ca. 50 Stunden insgesamt).

(FOLIE 6) In weiteren drei Blocks werden fremdsprachendidaktische Ziele mit den Tänzen und den Call-Übungen verknüpft. Die Integration funktioniert ausnahmslos in allen Fächer, wenn auch in einigen mit mehr Möglichkeiten als in anderen. Es geht aber auch in Religion/Ethik!

(Folie 7) Nur ein Beispiel zum Wortschatz-Einsatz im Unterricht. Allein in Mathe können sich bei einer Wortfeld-Unterteilung in Shapes, Directions, Numbers and Fractions, Other expressions, und General classroom phrases eine Vielzahl von folgenden Überschneidungen in Lernbereichen und Wortschatzarbeit ergeben:

Gerechnet wird im Deutschen wie im Englischen! Addition/Subtraktion und Überschlagsrechnung beim Einkaufen der Cowboykleidung oder Square Dancer Outfits mit kopierten Dollarnoten werden von allen Kindern als sehr motivierend empfunden und stellen einen situativen Kontext zur realen Welt her. (Folie 8)

Wie schon gesagt, gilt dies selbstverständlich auch für alle anderen Lernbereiche. Die sprachlichen und kulturellen Möglichkeiten sind vielfältig, ebenso wie die Ziele, die wir verfolgen können.

(FOLIE 9) Der krönende Abschluss ist die Durchführung eines eigenen Projektes in der Schule mit Abschlussvorführung vor Publikum.

Die Frage nach einer Square Dance-Lehrerfortbildung für fertig ausgebildete Lehrkräfte war bereits 2009 von Schulen an uns herangetragen worden. Es lag nun also nahe, mit unserem Konzept direkt Lehrkräfte anzusprechen. Sie wurde im Frühjahr 2012, 2013 (Frühjahr und Herbst) und 2014  durchgeführt. Der Erfolg war die sofortige und begeisterte Umsetzung in den Schulen. Über diese Fortbildung und der Teilnahme von Fachleiterinnen fand der Ansatz erste Umsetzung im Studienseminar Rohrbach für Referendare/innen aller Fächer, zu dem auch ein großer Teil der bereits im Square Dance Konzept ausgebildeten ehemaligen Studierenden gehörten. Eine große Anzahl an Multiplikatoren war so gewährleistet.

Das Konzept besteht also aus einer Mischung aus Praxis und Theorie und hat durch den großen Praxisanteil und dem Angebot an Materialien eine hohe Motivation aller Teilnehmer zur Folge. Die Praxis wird ergänzt von didaktisch-methodischen Anregungen und Diskussionen zur integrativen Umsetzung von Tanz, Fremdsprache und landeskundlich relevanten Themen in allen Lernbereichen der Grundschule.

In dieser Vielfalt stellt das Konzept hohe Anforderungen an Studierende und Lehrkräfte, sorgt aber gerade deshalb für Qualität und Nachhaltigkeit bei der Umsetzung im Unterricht. Lehrkräfte sollen befähigt werden, zielgerichtet und selbstständig amerikanische Tänze und motivierende Unterrichtselemente in kindgerechter Form für den integrierten Fremdsprachenunterricht im schulischen Alltag einzusetzen.
Wenn eine Idee erfolgreich wird, hat das immer mit viel Arbeit in der Konzept- und insbesondere der Weiterentwicklung zu tun und auch mit ganz klaren Ausbildungszielen.

Wie sieht das Konzept aus, das seit 2008 entwickelt wird, und wie begründen wir seine Inhalte?

Der Englischunterricht in der Primarstufe soll spielerisch, handlungsorientiert, multisensorisch, ganzheitlich und nachhaltig sein, Kinder sollen die englische Sprache mit Spaß an der Sache lernen. Es müssen sich aber über die wenige Unterrichtszeit in der Fremdsprache noch andere Lernbereiche finden, die sich für erfahrbares und ganzheitliches Lernen anbieten. Das Fach Sachunterricht ist dafür ein Beispiel, denn Kinder sollen (gemäß Lehrplan) neben der Sprache auch Wissen über andere Kulturen und die Geschichte Amerikas sammeln. Doch die Rahmenpläne für Musik und Sport bieten die Einbeziehung in der musikalischen Grunderziehung und Bewegung ebenso an. Offensichtlich ist, dass im Sport wie im Kunst- oder Mathe-Unterricht shapes wie squares, circles und lines ebenso eine Rolle spielen wie numbers und colours und nicht nur hier, sondern auch in der Verkehrserziehung in immer neuen Spielen und Aufgaben umgesetzt werden können. So wird das Prinzip der variierenden Wiederholung bedient und jede Erweiterung ist Teil eines spiralförmigen Lernaufbaus. Basis-Wortschatz wie z.B. directions (right, left, beside, opposite, behind, end, in front, across, straight, forward, back, middle, turn, etc.) in Verbindung mit shapes und colours der traffic signs bleiben erstaunlich gut haften, weil er handelnd und mit Bewegung erlebt, erarbeitet, und in verschiedenen Unterrichtssituationen erweitert und in lebensechte Situationen überführt wird.

Dennoch sollte man ein paar grundlegende Voraussetzungen vor der Umsetzung bedenken, z.B.:

  1. Rechts und Links-Lokation sind meistens noch nicht gut ausgeprägt. Kinder sollten sich für Fuß- und Handgelenke der linken Seiten ein Erinnerungsband basteln.

  2. Die Regeln zum Tanz (Square Dance Tradition) müssen vorher deutlich gemacht werden. Höflichkeit ist Trumpf (also Begrüßen und Bedanken) – kein Schubsen, Treten, Boxen, Kratzen, etc.; ein Cowboy/girl oder Settler/Indians tut das selbst im WILDEN Westen nicht!

  3. Kinder sollten ihre Partner für den Tanzbeginn selbst wählen. Kein Zwang für gemischte Paare. Wir greifen bei den Calls dann auf Farben zurück, z.B. Blue (boys) and Green (Girls). Anfänglichem Widerwillen, das andere Geschlecht anzufassen, wird damit entgegen gewirkt; wird beim Tanzen später gemischt, ist das für 99% der Kinder in Ordnung.

    Zum Trick gehört auch, dass die Jungen leichter in den Tanz einzubinden sind, wenn sie – wie ein echter Cowboy – einen Cowboy-Hut tragen dürfen. Dies wird natürlich auch den Mädchen erlaubt, die zudem auch einen Petticoat tragen dürfen.

  4. Zu beachten ist auch der Degree of Difficulty. Dieser ist einerseits abhängig von der Jahrgangsstufe (1. oder 4. Klasse), aber auch von den individuellen Fertigkeiten der Kinder als Individuum und in der Gruppe. Hierbei werden sowohl Bewegungen und Figuren als auch Vokabular von einer Tanzstufe in leicht aufsteigenden Schwierigkeitsgraden auf die nächste übertragen und dort erweitert. Ein sinnvoller progress im Sinne des Degree of Difficulty ergibt sich bei einer Tanzeinführung vom Kreistanz über die Contra-Formation zum Square Dance.

(FOLIE 10)

Phase 1 Kreistänze und Mixer

1.    Hokey Pokey: Er geht allem anderen als Vorbereitung voran. Kreistanz, Kind agiert als Einzelindividuum (wie gewohnt), lernt Begriffe und Bewegungen, z.B.: right, left, arm, leg, body (whole self), put in, put out, turn around, shake, etc.

Phase 2

2.    Maine Mixer: Kreistanz in Paaren, anfangs ohne Partnerwechsel, später mit Wechsel (Kinder wählen Tanzpartner selbst, den sie anfassen wollen), Rhythmus spielt eine größere Rolle, Laufen im Takt muss geübt werden (mehr Zeit für 1. und 2. Klassen einplanen und Rhythmusspiele im Musikunterricht unterstützend einsetzen), Wortschatz: numbers 1 to 8, go, march, face (your partner), dosado, clap, stomp, swing (next).
    (Film Sandra & Kathrin – Kl. 4; Bingo Sibylle&Lisa)
(FOLIE 11)

Phase 3: Contras

3.    Barley and Oats (oder Tunnel Contra): Paarbildung, sich anschauende Paare in regelmäßigen contra lines mit Blues und Greens auf gegenüberliegenden Seiten. Ziele: Paarbildung, Rhythmus, Selbstbewusstsein (jeder muss mal als Top couple in der Gasse der beiden Lines tanzen). Wortschatz: baut auf vorigem Tanz auf und wird erweitert, z.B. top, couple, everybody forward and back, promenade, dive thru, head, foot, slide down, etc.

4.    OXO Reel: Paarbildung, sich anschauende Paare in lines mit Blues auf einer Seite und Greens auf der gegenüberliegenden Seite, am besten 6 Paare bilden eine Line, kommt einer Quadrille aber sehr nahe. Ziele: wie vor + Zahlen, Ordinalzahlen. Neuer Wortschatz z.B: circles, stars, reverse, first, second, arch, etc. Änderung kann sein: top couple wählt die Art des slide down durch die Reihen, z.B. jump/gallop/stomp/glide/fly down like a frog/a horse/an elephant/snake/bird, etc.
    ? Kreativität, Erweiterung auf Tier-Wortschatz.
    (Film Barley and Oats Sibylle/Lisa, Klassen 2 – 4)

Phase 4

5.    (a) Pretty Baby Quadrille: SQD-Formation: 4 Paare als Gruppe. Ziele: wir vor + z.B. Konzentration, Hörverstehen, Koordination in Raum und Zeit. Neuer Wortschatz: heads/sides, right and left thru, join hands, circle right/left, corner, swing.
    (b) First Night Quadrille: SQD-Formation: 4 Paare. Neuer Wortschatz: head couple(s), side couple(s), corner, partner, same four, allemande left = turn corner left, grand right and left, home.
    (Film Square Dance Daniela, Klasse 4)

Man sieht bereits hier, dass die Anzahl der Figuren sich auf die Folgenden begrenzt:

1. Circle right/circle left
2. Dosado
3. Swing
4. Allemande left
5. Turn your partner/corner right/left
6. Star right/left
7. Forward and back
8. Dive thru
9. Grand right and left
10. U-turn back
11. Pass thru
12. Cast off
13. Separate
14. Promenade

Neben dem Spaß an Bewegung und den vielen fachspezifischen Zielen ist eines allerdings besonders hervorzuheben: (Folie 13)

Soziale Kompetenz: Es führt zu Gruppendynamik, Selbstvertrauen, Teamgeist, Toleranz und Hilfsbereitschaft; Kindern lernen spielerisch die Notwendigkeit von Disziplin und Regeln einzuhalten. Und sie fordern diese Regeln auch ein!

All das zeigt, dass wir mit der Einführung in die Grundschule mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Kinder, die nicht nur sitzen, sondern sich bewegen und motorisch wichtige Fähigkeiten lernen; Kinder, die soziale Kompetenz mit Selbst- und Gruppenbewusstsein entwickeln und vor allem Kinder, die Spaß am Tanz haben und mit Begeisterung über Square Dance reden und mitmachen! Sogar die Jungs!

Die Frage ist nun, was das den Clubs bringt. Die Swinging Landavians haben sich mit großem Engagement der Ausbildungsidee angeschlossen, auch wenn es ein Weg ist, der nur langfristig Wirkung zeigt. 2012 sind die ersten beiden Students im Club graduiert worden, die 2008 bzw. 2010 in unseren Uni-Seminaren erste Tanz- und Caller-Erfahrungen gemacht haben. Mitte 2013 wurden 20 Studierende und Lehrerinnen nach einem dreimonatigen Crash Course im Club graduiert. Sie tragen das Konzept nun weiter und sie werden sehr bald in ihren Schulen regelmäßige Projekte aufbauen und regelmäßig callen. Solange Clubs aus personellen, finanziellen und zeitlichen Gründen keine Kinder-Classes anbieten können (oder wollen), die den Lern- und Schlafzeiten von 8-12-Jährigen angepasst sind, bleibt die Schule der Dreh- und Angelpunkt für Aktivitäten dieser Art. Gelingt es, Arbeitsgemeinschaften an Schulen langfristig durchzuführen oder über die Kinder gar die Eltern gleichermaßen für eine Familien-Tanz-Class am Nachmittag oder frühen Abend zu begeistern, finden möglicherweise auch mehr junge Familien Platz in den Clubs. Die Clubs müssen es allerdings wollen, ihr Angebot erweitern oder verändern und geduldig an den richtigen Stellen werben.