20 Years / 20 Jahre Square Dance (IV) -eine persönliche Bilanz- Hartmut Heiber, Colonia Swingers Reprint from / Nachdruck aus dem Square Up 63, August 2009 Teil 1 siehe Bulletin Dez 09 S. 55 Teil 2 siehe Bulletin Sept 10 S. 69 Teil 3 siehe Bulletin Nov 10 S. 46 Es gibt sehr viele Specials in Deutschland, an jedem Wochenende ist irgendwo etwas los, natürlich regional unterschiedlich. In NRW könnte man ohne allzu großen Reiseaufwand an drei Samstagen im Monat ein Special besuchen, denn auch die Welle der Clubgründungen hat sich fortgesetzt, was bedeutet, dass sich die Zahl der Clubs in unserem Bundesland in den letzten 20 Jahren etwa verzehnfacht hat. Auch neue Clubs sind ehrgeizig, ihr eigenes Special anzubieten, wenn auch nicht immer jährlich. Viele Specials sind schwächer besucht als früher, etliche Traditions-Specials aber haben gleich bleibende oder sogar steigende Besucherzahlen. Viele Tänzer „picken sich die Rosinen heraus“, d.h. gehen nur zu bekannten und berühmten Callern bei Specials, aber auch an Clubabenden. Es werden häufig Gastcaller zu den Clubabenden eingeladen, und bei besonderen Callern kommen besonders viele Gäste, ohne dass groß Werbung gemacht wird, die Mundpropaganda funktioniert. Bei Specials erscheinen etliche Tänzer nur zu einigen Programmteilen, oft sieht man sie noch beim Kuchen- und Abend-Buffet, während sie beim Abendprogramm schon wieder verschwunden sind. Die Clubstreuung dieser Besucher ist auch anders als früher: Oft kommen z.B. 80 Tänzer aus 40 Vereinen, oft sind dies auch die sog. „Intensiv-Tänzer“, die Mitglied in 2-3 Clubs sind. Workshops auf Specials sind eher die Ausnahme, da man hier jeden Tip tanzen sollte, um nicht den Anschluss zu verlieren. Viele Tänzer kommen aus sozialen Gründen zu MS- und Plus-Specials, um Freunde zu treffen usw., sie tanzen oft nur die Hälfte der Zeit. Allerdings sind die anschließenden Afterparties auch weniger gefragt, wo man sich ungestört unterhalten könnte. Die Afterparties von heute sind nur noch ein Abklatsch von früheren, es sei denn das Abendbuffet wird hier angeboten und es spielt eine Band bzw. Live-Musik. Getanzt wird kaum noch während der Afterparty. Die Strukturen im Square Dance sind heute gefestigt: Es gibt Square Dance, Round Dance, Clogging (etabliert bei uns in den 90er Jahren, in NRW gibt es sogar 3 feste Gruppen) und auch Contra Dance und traditionellen Square Dance, aber mit vergleichsweise geringen Tänzerzahlen. Die Clubs haben andere Gewohnheiten angenommen, was die Caller betrifft. Früher hatte fast jeder Club einen festen Clubcaller, der den Clubabend bestritt, das Niveau der Tänzer langsam aufbaute, was das Können betrifft, und der auch regelmäßig die Anfänger-Class betreute. Dies ist heute in nicht mehr vielen Clubs so. Dagegen werden häufig wechselnde Caller zu den Clubabenden eingeladen, in regelmäßigem Rhythmus oder auch unregelmäßig. Viele gute Caller haben schon in zahlreichen Clubs der näheren Region einmal gecallt und werden wieder eingeladen, wenn sie gefallen haben. Das System der Vertretungen bei Ausfall des Clubcallers funktioniert sehr gut, da genügend Caller in Gegenden wie unserer zur Verfügung stehen, die man nur rechtzeitig engagieren muss. Im Nachteil sind lediglich die Clubs in sog. „Diaspora-Gegenden“, wo die Nachbarclubs weit entfernt sind. Da die Clubdichte mittlerweile in NRW insgesamt zufriedenstellend ist, d.h. fast flächendeckend, gibt es auch Bestrebungen der Zusammenarbeit zwischen Nachbarclubs und der Koordination von Daten von Veranstaltungen, Classes usw., um sich nicht ins Gehege zu kommen und sich keine Tänzer gegenseitig abzuwerben bzw. „wegzunehmen“. Dies war alles früher natürlich nicht nötig. Das Durchschnittsalter der Tänzer hat sich erhöht und liegt jetzt bei etwa 50 Jahren, mehr Tänzer im Rentenalter sind zum Square Dance gestoßen. Die Tänzer der ersten Sturm- und Drangzeit der 70er und 80er Jahre verschwinden langsam. Viele Clubmitglieder heute halten weniger durch, es gibt z.Zt. kein aktives Mitglied mehr in meinem Club „Colonia Swingers“, gegründet 1981, das Gründungsmitglied ist. Seit 2005 Die Entwicklung in den letzten Jahren, seit etwa 2005, zeigt allerdings hier und da wieder erfreuliche Perspektiven: Es gibt wieder mehr Kinder und Jugendliche, die zum Square Dance stoßen, auch gefördert von den Eltern. Ebenfalls sieht man auf jedem Special Teens und Twens, die Freude am Tanzen haben und sich durchaus unter die „Alten“ mischen. Sogar Kinder- und Jugendclasses gibt es hin und wieder. Es existieren viele Clubs in unserer größeren Region NRW, die sehr aktiv sind, aber natürlich auch solche, die mit wenigen Tänzern, einem oder zwei Squares, gerade über die Runden kommen und die auch ihre Aktivität irgendwann mangels Masse bzw. Tanzlust einstellen müssen, aber durchaus nicht aus Altersgründen der Mitglieder, wie in den USA und England üblich, sondern weil einfach „die Luft raus ist“ oder kein Caller mehr zu finden und zu finanzieren ist. Natürlich sind negative Trends, die in den 90er Jahren entstanden sind, nicht schnell umzudrehen: Der Run auf höhere Tanzprogramme ist ungebremst, viele langjährige Tänzer tanzen jetzt Advanced und Challenge und weniger MS und Plus. Von vielen Tänzern, die über Jahre den Verfall des Ausbildungsniveaus bei Tänzern und Callern kritisierten und beklagten, wurde aber auch Abhilfe gefordert, und so führte die ECTA, der Dachverband der Caller und Cuer, das EEP (ECTA Educational Program) ein, das den Callern und Cuern die Möglichkeit anbot, an einem Ausbildungsprogramm mit anschließender Prüfung teilzunehmen und damit nach außen eine gewisse Qualifikation vorweisen zu können. Die frühere Caller-Prüfung und das White Badge der ECTA wurden in den 90er Jahren abgeschafft. Im Hinblick auf diese neuen Entwicklungen kann man ein wenig getroster in die Zukunft unseres Hobbys sehen. |