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EAASDC-Bulletin März 2011

Reisebericht

Reise zum Neujahrs-Special in Petrosavodsk/Karelien

Wolfgang Grätz
Berlin Swinging Bears, Deutsch-Russische-Squaredance-Freunde

Wenn Squaredancer nach Russland reisen, ist stets ein wenig Abenteuer vorprogrammiert. Wie oft ich bei den Squaredanceclubs in den Städten Pskov, Murmansk, Petrozavodsk und St. Petersburg zu Gast war, kann ich gar nicht mehr aufzählen. Vergangenes Jahr bekam ich von den Squaredancern Oxana und Igor aus Petrozavodsk zum zweiten Mal eine Einladung.

Petrozavodsk liegt in Karelien am Onegasee mit der weltberühmten Insel Kishi. Der Petrozavosdker Squaredanceklub "Onega Wave Dancers" war der allererste in Russland und feierte 2009 bereits das fünfjährige Bestehen. Alexander Kosyn und Fedor Antonov callen und teachen abwechselnd. Beide wurden von Kenny Reese unterrichtet. Etliche der Tänzerinnen besuchten schon Clubs und Specials in Finnland und Deutschland und haben dadurch Erfahrung gesammelt. Es macht viel Spaß, mit den temperamentvollen russischen Ladies zu tanzen.

So buchte ich also, - zwei Monate im Voraus. Die Buchung lautete am 23.12.2010 von Düsseldorf nach Berlin. Von dort dann nach St. Petersburg und dann weiter mit dem Nachtzug nach Petrozavodsk.

In Düsseldorf wollte ich einchecken, doch da sagte man mir, der Flug nach Berlin sei gestrichen wegen Eis und Schnee. So, na dann sucht die Dame am Schalter einen anderen Flug für mich raus. Der war von Düsseldorf nach Helsinki und von dort nach St. Petersburg. Alles ging glatt und ich saß in der Maschine. Als wir dann losrollten, sagte uns der Kapitän, wir müssen uns jetzt zum Enteisen anstellen. Wir stehen an achter Stelle. Jetzt fing bei mir das Grübeln an. Meine Umsteigezeit in Helsinki war nur ein und dreiviertel Stunde. Als wir mit dem Enteisen fertig waren, hätten wir in Helsinki schon landen müssen.
Na, dort angekommen bin ich zum nächsten Schalter und fragte, wie ich denn jetzt nach St. Petersburg käme. (Air Berlin alles in Deutsch) Die Dame am Schalter sagte mir, heute geht keine Maschine mehr dorthin. Sie bemühte sich, mir zu helfen und telefonierte rum. Dann kam ein Ergebnis. Ich musste von Helsinki nach Moskau fliegen und von dort dann weiter nach St. Petersburg. Na, ich habe aufgeatmet. Ich brauchte nicht lange zu warten, und es begann meine "Russland-Rundreise".

Am 24.12.2010 landete ich um 5 Uhr in St. Petersburg auf dem Flughafen Pulkovo1 dem Inlandflughafen. So jetzt wo ist mein Gepäck? Beim Nachfragen sagte man mir, das würde auf dem Flughafen Pulkovo2 dem internationalen Flughafen ankommen. So, wie komme ich da hin? Die Taxis wollten 800 Rubel haben, das sind ca. 12 € - das wäre viel zu viel. Ich sah mich in der Empfangshalle mal um und entdeckte einen kleinen Stand an dem Transver stand (in Russisch). Dort sah ich, dass eine Frau um Auskunft bat. Als sie weg ging, fragte ich mit meinen geringen Englischkenntnissen, ob sie Englisch oder Deutsch spreche. In diesem Moment ging hinter mir eine junge Frau vorbei und hörte, dass ich nach Deutsch fragte. Sie sprach mich an und fragte auf astreinem Deutsch „Kann ich ihnen helfen?“ Ich war überrascht und sagte ja gern. Nun fragte sie mich, worum es geht. Ich sagte ihr, ich möchte zum Flughafen Pulkovo2, um mein Gepäck dort abzuholen. Die junge Frau sprach mit der Dame am Schalter. Dann sagte sie mir, dass in 10 Minuten ein Shuttlebus dort hin geht, der kostenlos war. Na, da war ich froh, und die Frau, die vor mir am Schalter stand, fuhr auch mit diesem Bus. In Pulkovo2 angekommen, bin ich auf die Suche nach meiner Reisetasche gegangen. An der Gepäckfundsammelstelle habe ich meinen Gepäckschein vorgezeigt und gefragt, ob meine Tasche hier wäre. Man schickte mich in einen Raum von ca. 4x4 Metern, der halb vollgestapelt mit Gepäckstücken war. Da entdeckte ich meine Tasche. Sie lag oben auf. Da fiel mir ein Stein vom Herzen, denn ohne meine Tasche hätte ich gleich wieder nach Hause fahren können. Ja, nun hatte ich die Tasche, aber ich durfte sie nicht gleich mitnehmen. Denn die Angestellten, zwei junge und eine ältere Dame mussten nun erst einen Bericht schreiben. Ich musste mich setzen und warten, bis jede einen Bericht von einer Seite geschrieben hat. Diese drei Seiten durfte ich nach einer Stunde unterschreiben und dann bekam ich erst die Tasche ausgehändigt. Nun konnte ich meine Reise fortsetzen. Mit dem Bus fuhr ich zur U-Bahn und dann zum Bahnhof von wo mein Zug nach Petrozavodsk fuhr. Dort angekommen sah ich erst mal auf die Anzeigentafel, wann ich einen Zug dorthin habe. Um 8:45 ging ein Zug nach Murmansk über Petrozavodsk. Ich stellte mich an den Schalter an, um meine Fahrkarte zu kaufen. Vor mir war ein junger Mann. Als ich dran war, stand der junge Mann noch neben mir und ordnete seine Sachen ein. Ich sprach zu der Verkäuferin, ob sie Deutsch oder Englisch spricht. Die Antwort war njet. Das hörte der junge Mann neben mir und fragte mich auf Englisch, ob er mir helfen könne. Ich sagte Oh yes please. Er fragt, wohin ich wollte und ich sagte ihm ich wollte nach Petrozavodsk im Liegewagen im Bett unten. Der junge Mann sagte das der Verkäuferin und ich bekam meinen Wunsch erfüllt. Eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges wird man erst in die Waggons eingelassen. Als ich meinen Platz gefunden hatte, gesellte sich auf dem Platz gegenüber ein junger Mann zu mir. Als der Zug dann losfuhr, kamen wir ins Gespräch. Ich frage ihn, ob er Englisch oder Deutsch spricht. Er sagte Englisch und ganz wenig Deutsch. Ich hatte 2 Dosen Bier bei mir, die ich rausholte und gab ihm eine. Anschließend stellten wir uns gegenseitig mit Vornamen vor. Wir hatten uns viel zu erzählen. An der nächsten Station stieg er aus und kam dann mit vier Dosen Bier im Arm und einem 40 cm langen geräucherten warmen Fisch wieder und sagte guten Appetit. Dann haben wir den Fisch mit den Fingern zerlegt und gegessen. Da ja Fisch gewöhnlich schwimmt, wurde auch das Bier dazu getrunken.

Dann gegen 20 Uhr trafen wir in Petrozavodsk ein. Ich verabschiedete mich und schritt zum Ausgang. Bevor ich die Tür öffnete sah ich Igor (Mann von Oxana, ehemalige Vize des Klubs) auf dem Bahnhof stehen.

Im Zug war es angenehm warm ca. 22 Grad. Als ich ausstieg und zweimal tief Luft holte, musste ich sofort mein Taschentuch rausholen und es vor Mund und Nase halten. Draußen waren minus 26 Grad. Das war 48 Grad Temperaturunterschied. Also war ich am Heiligen Abend um 20:30 Uhr gut bei der Familie von Oxana und Igor angekommen.

Nach 14 Tagen sehr schönem Aufenthalt und mehreren Tanzveranstaltungen der Onega Wave Dancers musste ich meine Rückreise antreten. 3 Tage bevor ich los musste sind wir zum Fahrkartenschalter gefahren, um meine Fahrkarte für die Rückfahrt nach St. Petersburg zu kaufen. Oxana sagte dann am Schalter, für den 8.1.2011 eine Fahrkarte nach St. Petersburg mit Liegeplatz unten. Da bekam sie die Antwort: für die nächsten vier Tage gibt es keine Karten mehr. Dann sagte Oxana zu der Verkäuferin, dass ich meinen Flieger am 9.1.in St Petersburg bekommen müsste. Die Dame am Schalter fragte, wann der Flieger geht. Er startet um 15 Uhr. Die Dame am Schalter tippte auf ihrem Computer rum und sagte dann, ich müsse von Petrozavodsk nach Moskau mit dem Liegezug fahren und von dort nach St. Petersburg mit dem ICE, dann würde ich meinen Flieger noch bekommen. Nun hat es mit dreistündigem Aufenthalt in Moskau noch geklappt und ich konnte mit meinem gebuchten Flieger nach Hause zurückfliegen.

Das war meine "Russlandrundreise" zum Weihnachtsspezial in Petrosavodsk., eine Abenteuerreise mit einem über das 1000 km entfernte Moskau.

Doch die sprichwörtliche russische Gastfreundschaft und die spontane Hilfsbereitschaft einem Fremden gegenüber, der kyrillische Buchstaben nicht entziffern kann, vermitteln ein Zugehörigkeitsgefühl, das einen nicht mehr los lässt.

Anmerkung: Wolfgang Grätz ist quasi der Kontaktmann der Deutsch-Russischen-Square-Dance-Freunde zu den vier russischen Clubs, die der Verein geholfen hat aufzubauen. Er verdient sich das Geld für seine häufigen Reisen dorthin mit allen möglichen Arbeiten. Man kann sich kaum vorstellen, was es für die russischen Squaredancer bedeutet, mitten im tiefen Winter einen Gast aus Deutschland zu bekommen, besonders Wolfgang, der allen bekannt ist und geliebt wird. In einer Email schreibt Tatiana Antanova, die Präsidentin der Onega Wave Dancers, (vom Englischen übersetzt): "Wir werden den Deutsch-Russischen Freunden ewig dafür dankbar sein, dass sie uns die Gelegenheit gegeben haben, beim Tanzen glücklich zu sein, Freunde zu treffen und Spaß zu haben."

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